Wifflingen ist überall im Schwäbischen, nicht nur, wenn es um ein Hochwasser geht, wie hier in Urbach, wo die Rems 1998 über die Ufer getreten ist.

Eine Überschwemmung eint zerstrittene Romanhelden

Der Winnender Schriftsteller Winfried Maier-Revoredo verarbeitet in seinem neuen Roman auch Erfahrungen als Gemeindepfarrer

 

WINNENDEN. ''Don Kurt vom Neckar'' heißt der neue Streich von Winfried Maier-Revoredo. In dem Roman geht es um den evangelischen Gemeindepfarrer einer fiktiven schwäbischen Kleinstadt, der im Dauerclinch mit seinem Schulfreund, einem Bauunternehmer, liegt.


 Von Thomas Schwarz, Stuttgarter Zeitung vom 25.11.2003


Auslöser des Zwists ist eine Müllverbrennungsanlage, die in Wifflingen, einer typisch schwäbischen Kleinstadt am Neckar, gebaut werden soll. Kurt Schall, der evangelische Pfarrer, ist ein entschiedener Gegner, sein Schulfreund Karl Klopp, inzwischen erfolgreicher Bauunternehmer und ein Strippenzieher vor dem Herrn, ein erklärter Befürworter, schließlich hofft er auf einen saftigen Auftrag beim Bau der Industrieanlage. Um die beiden Kontrahenten scharen sich Typen, wie man sie in jeder Stadt treffen kann. Da sind die Stadträte der verschiedenen Fraktionen, der Bund der Selbstständigen, der Kirchengemeinderat, der katholische Amtsbruder Schalls, der Bürgermeister, der es allen recht machen will, und schließlich noch die Pfarrersfamilie, die gar nicht begeistert ist von des Pfarrers rebellischen Ambitionen.

Diese Typen zeichnet Winfried Maier-Revoredo mit Humor und Herz. Schließlich lebt er als Gemeindepfarrer in Winnenden in solch einem Umfeld. ''Es ist allerdings nicht so, dass sich hinter den Figuren im Roman tatsächliche Menschen verbergen, ganz und gar nicht'', sagt er. Allerdings sind es echte Typen, Gut und Böse gibt es nicht - wie im richtigen Leben eben. Deshalb hat auch der Pfarrer Schall seine Fehler. Und das bekommt er vor allem von seiner Frau zu hören, der es schließlich zu viel wird mit des Pfarrers Ambitionen, weshalb sie kurzfristig mit den Kindern das Pfarrhaus verlässt. Sie ist es auch, die ihren Mann als Don Quijote bezeichnet, der sich mit ganz Wifflingen anlegt.

Dickschädlig ist er schon, dieser Pfarrer. etwa im Disput mit dem pietistischen Kirchengemeinderat Theodor Krämer, dem der drohende Fasching mehr Kopfzerbrechen macht als die Müllverbrennungsanlage. Schlussendlich wird so um Bibelzitate gerungen, dass sogar ein Exemplar des Buchs der Bücher zerrissen wird.

Auch in Fragen der Ökumene sind sich er und sein katholischer Amtsbruder nicht immer einig, obwohl sie voller Leidenschaft mit der Modelleisenbahn des Letzteren spielen - was zu allerhand Tratsch führt, weil sich die beiden Kirchenmänner im katholischen Pfarrhaus hinter verschlossenen Türen mit Lokomotiven und Waggons beschäftigen. Zum Stadtfest schaffen sie es dann doch noch, auf einem Tandem aufzutreten, nachdem sie sich zuerst nicht einigen konnten, wer vorne sitzen darf und lenkt.

Nach einer Besetzung des Bauplatzes der Müllverbrennungsanlage mit anschließendem Prozess kommt es schließlich zur Bewährungsprobe. Regen und Schmelzwasser lassen den Neckar über die Ufer treten, Wifflingen wird überflutet, und das Stadtarchiv gerät in Gefahr. Hier kommt es sogar zum handgreiflichen Streit zwischen Schall und Klopp, wer die uralten Dokumente retten darf. Doch endlich schaffen es die Streithähne noch, sich zusammenzuraufen. Ende gut, alles gut? Nicht ganz. Wie im richtigen Leben muss auch der Pfarrer einstecken. Zwar kommt die Müllverbrennung doch nicht, aber nur, weil er der Gemeinde unfreiwillig zu einer neuen Mülldeponie verhilft.

Ein Hochwasser hat Maier-Revoredo, der 1955 in Tübingen geboren wurde, als Kind in Winterbach einmal miterlebt, wo er aufwuchs. Er ist Mitglied im Verband der Schriftsteller in Deutschland und der Ulmer Autoren. Zuletzt hat er einen Band mit Kurzgeschichten über Peru veröffentlicht.

Winfried Maier-Revoredo: ''Don Kurt vom Neckar'', Stieglitz-Verlag, 232 Seiten, 18 Euro

 

 

Thomas Schwarz

Stuttgarter Zeitung

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